Segeln auf Sardinien, oder der Weltuntergang wurde verschoben.
Alghero
Stintino
Asinara
Zu Pfingsten waren wir praktisch alleine auf der Insel Asinara, die ein Teil des Nationalparks ist. Ohne Probleme bekamen wir Bojen zum Festmachen. Wir besuchten das Schildkrötenkrankenhaus und wanderten auf der menschenleeren Insel.
La Pelosa
Im Sommer ging der schöne Traum am überhaupt schönsten Ankerplatz bis jetzt weiter. Das Wasser war kristallklar und wir waren dankbar, mitten in der Bucht ankern, schwimmen und schnorcheln zu dürfen. Unser Leben unter weißen Segeln war wirklich ein Traum.
Isola Rosa
La Maddalena
Vor den Inseln der Reichen wurden wir gewarnt: Viel zu teuer und zu voll. Die Marina del Ponto war mit 80,-Euro pro Nacht nicht gerade günstig (normalerweise bezahlen wir zwischen 20-40,- pro
Nacht), aber der Papa musste halt arbeiten und brauchte Strom und Ruhe. Es ist jedenfalls die beste Marina auf der Insel. Die anderen sind zwar näher zu der „Hauptstadt“, dafür wird man hier zu
einem Lebensmittelladen gefahren, wo man Proviant kaufen kann und es fährt direkt vor der Marina der Bus zum Zentrum ab. Ok, es ist keine Haltestelle da und man muss dem Bus winkend
entgegenlaufen, aber der Busfahrer ist super nett und hält auch an.
Die andere Marina haben wir auch ausprobiert, da wir einen kleinen Vorfall mit dem neu gekauften Taschenmesser hatten und nochmal zur Notaufnahme fahren mussten, um Fäden zu ziehen. Die
Mitarbeiter des hiesigen Krankenhauses sind sehr nett. Trotzdem würde ich den Kindern nächstes Mal nicht erlauben, ein Taschenmesser zu kaufen. Egal, wie viel Geld sie von den Großeltern
geschenkt bekommen haben. Vorerst keine Taschenmesser im Ausland.
Liscia di Vacca
Die andere Seite des Lebens unter weißen Segeln
Die andere Seite des Lebens unter weißen Segeln könnte man mit einem Wort zusammenfassen: Wetter. Hinter diesem Wort verbergen sich Tausende Gefühle und wenn es so wäre, dass man für alles Schöne
im Leben einen Preis bezahlen müsste, wäre jetzt die Rechnung gekommen.
Das neue Kapitel könnte auch heißen: Eine Familie zieht um. Mehrmals.
Das schlechte Wetter bahnt sich an. Alle Marinas weit und breit sind ausgebucht. Die Suche nach passenden Ankerbuchten beginnt und wie es so ist, es gibt keine Ankerbucht, die von allen Seiten
geschützt ist, sonst würde sie „Gartenteich“ heißen. Teilweise mehrmals am Tag ankern wir um. Nach dem Wetterupdate wird gerufen: „Kinder schnell aus dem Wasser. Wir müssen los.“ Jetzt bleiben
wir doch positiv, wir lernten viele schöne Buchten kennen.
Der Druck steigt, die Anzahl der aufgenommenen Fotos sinkt. Es erreichen uns Videos von Gewitterstürmen auf Formentera und Mallorca, wo wir letztes Jahr waren und der Wunsch nach einem sicheren
Ortwächst. Doch, den gibt es nicht. Es gibt nur den „hoffentlich sicheren“ Ort.
Dieses Jahr habe ich etwas Großes vor. Ich habe dafür sogar ein neues Wort erfunden: einquarken. Es ist eine Neuschöpfung, also erkläre ich die Bedeutung. Wenn etwas ein totaler Blödsinn
ist,sagen wir: Das ist echt Quark. Einquarken bedeutet sich wie eine Scheibe Brot mit Quark/mit Blödsinn bestreichen lassen. Dieser Blödsinn ist Angst und dieses Jahr lasse ich mich nicht
„einquarken“ (vor allem nicht mit der Angst, die im Internet verbreitet wird). Die Angst soll auf mir nicht haften bleiben.
Stark und positiv zu bleiben, ist sehr schwer, wenn man Kinder an Bord hat und wenn man mit „schlechten“ Wettervorhersagen konfrontiert wird. Es ist möglich, aber es ist kein Selbstläufer.
Wenn sich große, rote Flecken auf der Wetterkarte nähern, wird es an Bord spannend. Es wird überlegt und vorbereitet, festgemacht und aufgeräumt. Die Kinder werden öfters abgewiesen:
Jetzt nicht.
Dann kommt das Schlimmste: die Ruhe. Die Ruhe vor dem Gewitter. Die Zahlen auf dem Windmesser fallen auf 3 Knoten. Die Luft hält still. Man hört sein eigenes Herz schlagen und es schlägt
nichtlangsam. Dafür arbeitet das Gehirn schneller: Was hätte man besser machen können? Ist dieser Ankerplatz sicher? Ist diese Seite vom Ankerplatz die richtige?
Um die grausame Stille zu überbrücken, ist es üblich, einen Streit mit dem Ehepartner und Skipper vom Zaum zu brechen und etwas zu schreien, wie: "Lass uns das verdammte Boot verkaufen!" Darauf
haben wir dieses Jahr verzichtet. Es bringt ja nichts. Am Ende behält man das Boot doch und landet auf so einem wunderschönen Ort wie La Pelosa.
Bis jetzt haben wir zwei Tage lang nur relativ wenig Wind und leichten Regen abgekriegt. Die Ankerbuchwahl war doch wohl richtig. Wie mein Mann nach dem Wetterupdate vor ein paar Stunden
festgestellt hat: "Der Weltuntergang wurde verschoben."
Jetzt werden wir noch einen Tag und eine Nacht bangen, bevor es in die Marina geht. Dann kann der Weltuntergang kommen.
Und übrigens: Wir sind an einem wunderschönen Ort gelandet. Es ist ein Traum. Das Wasser ist kristallklar. Die Unterwasserwelt ist der Hammer. Es gibt Delfine und Seegraswiesen mit Tausenden
bunten Fischen. Sowas habe ich noch nie in meinem ganzen Leben gesehen. Die Kinder sind überglücklich. Wir auch - jedenfalls vormittags. Nachmittags bereiten wir uns auf den Gewittersturm
vor.
Das ist das Leben eines Seglers und was auch kommen mag: Ich liebe es. Nein, es ist mehr: Wir alle. Jeder von uns vier liebt es.