
Sicherheit ist die erste Elternpflicht. Das ist wohl klar. Aber was ist sicher und was nicht? Was muss man machen, damit sich Eltern und Kinder sicher fühlen und an Bord sicher sind, damit sozusagen "nichts" passiert? Relingsnetz, Rettungsweste, Gurt? Tausend Menschen, Tausend Meinungen. In diesem Artikel möchte ich vorstellen, was bei uns und unseren Kindern (am Anfang 1,5 und 3) gut funktioniert und wie wir die Sicherheit der ganzen Crew gewährleisten.

Im Hafen
Man über Bord oder Kinder über Bord? Ich beginne bisschen ungewöhnlich mit einer Geschichte. Es war an dem Tag, an dem unsere Langfahrt begann. Nach einer zwölfstündigen Fahrt mit dem Auto gelangen wir endlich nach Lelystad zum Boot. Überglücklich waren die Kinder, übermüdet die Erwachsenen. Die Aufgabenverteilung war klar. Ich warte erstmal mit den Kindern auf dem Spielplatz vor der Marina, Jan macht das Boot klar und holt uns später. Nach ein paar Minuten holte uns der Skipper tatsächlich ab. Völlig durchnässt, ohne Brille und ohne Autoschlüssel. Als er vor der Bordkante runterspringen wollte, stolperte er und fiel in das tiefe, schmutzige Hafenwasser, ohne dass wir anderen etwas gemerkt hätten.
Für uns war es eine prägende Situation.
Davor haben wir Lukas immer auf dem Arm zum Boot getragen. Die Kinder zogen ihre Rettungswesten erst an Bord an. Jan meinte: „Ein Mensch, der überraschend ins Wasser fällt, ist in dem Moment so orientierungslos, dass er unmöglich ein Kind festhalten kann.“ Ein erfahrender Skipper sagte vor Jahren zu uns: „Ich habe nie erlebt, dass jemand über Bord gefallen ist, aber in den Hafenbecken fällt ständig jemand rein.“ So ist es. Wie oft haben wir das schon erlebt?
In der Marina tragen unsere Kinder immer Stoffwesten, wenn sie mit ihren Freunden rumrennen, wenn sie fischen... einfach immer wenn sie in der Nähe des Wassers sind, sogar wenn wir die Marina verlassen und in die Stadt gehen.
Weiter gilt es: Auf dem Steg wird nicht gerannt. Man geht in der Mitte des Steges und man gibt Bescheid, wenn man vom Bord geht und auf dem Steg spielt, oder wenn man zu anderen Kindern geht.

An Bord
Vom Steg aufs Boot zu kommen, muss auch erstmal gelernt werden. Wie bei unerfahren Bekannten, als auch bei Kindern erklärt man genau, wo man hintreten, wo man sich festhalten darf, welche Teile am Boot fest und stabil sind, was sich bewegt und was eventuell auch beschädigt werden kann.
Relingsnetz
Bei einem Charterschiff würde ich mir über ein Relingsnetz keine Gedanken machen, aber wenn man ein eigenes Boot hat, sorgt es für zusätzliche Sicherheit. Im Internet findet man zahlreiche Einleitungen, wie man es befestigen kann. Wir haben einfach Kabelbinder benutzt und sie halten immerhin schon seit vier Jahren.
Als das Relingsnetz angebracht wurde, stellte unser Dreijähriger fest: "Jetzt sind wir ein echtes Familienboot." Seitdem bricht jedes Mal, wenn ein Boot mit einem Relingsnetz den Hafen ansteuert, große Freude aus: "Da kommt ein Boot mit Relingsnetz. Sie haben Kinder, oder einen Hund dabei."

Rettungswesten
Für ganz kleine Kinder gibt es nur Feststoff-Rettungswesten zu kaufen. Ich finde es richtig so. Sie funktionieren zuverlässig. Man muss sich keine Gedanken machen, dass sie nicht aufgehen würden und die Kinder überfordern. Im Buch "Segeln mit Kindern" findet man zahlreiche Berichte zum Thema. Meiner Meinung nach ist jede zugelassene Weste gut genug.
Natürlich sind Feststoff-Rettungswesten sehr sperrig und nicht angenehm zu tragen, aber so ist es. Manchmal muss man die Sache einfach nur gut verkaufen. Seemänner tragen halt solche Westen. Als Ausstattung ist eine Pfeife dabei. Man kann ein Licht (verpflichtend bei ARC) dazu kaufen. Es ist wichtig, die Weste mit persönlichen Informationen zu beschriften: wie Name, Name des Bootes, Telefonnummer. Mit Aufklebern oder Schlüsselanhängern kann sie ja auch noch verschönert werden.

Rettungswesten werden bei uns getragen, so bald man das Innere des Bootes verlässt und das Cockpit betritt. Das Schott/die Tür des Bootes ist die magische Grenze. Wer hier rüber will, trägt eine Weste und pickt sich ein. Am Anfang unserer Reise hatten wir natürlich auch das Glück, dass die Kinder zu klein waren und ohne unsere Hilfe nicht über das Schott klettern konnten. Das war natürlich schön.
Wann man die Rettungsweste tragen sollte, ist jedenfalls sehr individuell und man muss es nach Gefühl entscheiden. Wir sehen es so, unser Boot ist klein (10,40). Bei uns wird immer während des Segelns eine Rettungsweste getragen und das sowohl von den Erwachsenen als auch von den Kindern. Es ist klar. Es wird nicht diskutiert. Es wird auch nicht darüber diskutiert, ob es jetzt wenig Wind gibt, oder wenig Welle, ob man an der Küste segelt, oder über den Atlantik. Klare Regeln machen die Lage einfach. Ich weiß, manchmal ist es für Erwachsene schwerer zu akzeptieren als für Kinder. Erwachsene können die Lage eher einschätzen. Kinder halt nicht. Wer solche grundsätzlichen Themen und eben Ansichtssachen diskutieren will und vielleicht sogar ab und zu Ausnahmen macht, macht sich das Leben selbst schwer. So wie bei vielen anderen Themen (wie Schlafengehen, Fernsehen...) müssen die Kinder wissen, was andere machen, ist egal. In unserer Familie wird das so gemacht.

Lifebelt/Gurtgeschirr
Hey, es gibt doch eine Ausnahme. Wer keine Rettungsweste tragen will, kann auch eine Art Klettergurt tragen. Man schwitzt darin nicht so wie in der Weste. Man kann sich besser besser bewegen und man ist trotzdem sicher.

Lifeline/Sorgeleine
Mit einem Gurtgeschirr muss ein Kind natürlich eingepickt sein. Bei uns ist es so, dass Kinder und Erwachsene immer mit einer Lifeline am Boot "befestigt" sind. Übertrieben? Vielleicht. Bei uns ist es halt so.
Einmal habe ich mit einer angehenden Seglerin zu diesem Thema gechattet. Ich habe erzählt, wie es bei uns ist. Sie hat gemeint: "Eingeleint wie Hunde?" Da musste ich innerlich lachen. "Und so gehen sie ums Boot herum?", fragte sie. Irgendwie fand ich es echt lustig, obwohl ich nicht gezeigt habe. Jeder hat halt unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen. Jeder segelt in unterschiedlichen Revieren, zu unterschiedlichen Bedingungen. Natürlich auf unterschiedlichen Booten.
Segeln ist manchmal ja so, wie man sich vorstellt - Bikini und Cocktail in der Hand. Alles entspannt. Manchmal aber auch gar nicht. Ich kann mir vorstellen, dass manche Erwachsene und auch Kinder am Bord hin und her laufen, nach vorne, nach hinten, bei wenig Welle und wenig Wind, ohne Weste und Leine. Das ist jedem seine Sache. Manchmal sind die Bedingungen, aber auch so, dass keiner auf die Idee käme, irgendjemanden "uneingepickt" aus dem Cockpit zu lassen.
Manche Kinder sind Engelchen, die brav sitzen. Viele Kinder sind eben aber auch richtige Seeräuber, die keine Sekunde sitzen können und die Eltern von den Räuberkindern haben dann keine Lust, die an der Hand zu halten. Also lieber eingepickt als ertrunken.

Es klingt jetzt nicht so "rosarot", wie viele Artikel im Internet, aber das Leben ist kein Ponyhof und das Segeln schon gar nicht. Es mag hart klingen, aber es ist besser, wenn man es auch den Kindern ganz klar macht. Kinder verstehen es. Sie sind klein, aber sie haben auch dieselben Ängste wie wir und die größte Angst ist: "Mama und Papa nie wieder zu sehen." Also wer über Bord fällt, geht in den Himmel und sieht Mama und Papa nie wieder - das haben wir den Kindern ganz am Anfang erklärt und keiner hat jemals die Sicherheitsmaßnahmen in Frage gestellt.
Für mich als Mitseglerin ist es auch toll zu wissen, dass mein Mann eingepickt ist. Wenn ich während der Nacht aufwache und sehe, dass er oben sitzt, eingepickt, um uns herum nur Wasser, meilenweit kein Land, fühle ich mich sicher. Ich denke egal, was passiert, er bleibt an Bord. Selbst wenn er den Baum an den Kopf kriegt, er bleibt da. Immerhin muss ich ihn im Meer nicht suchen. Denn es gibt Situationen, in der Mitte des Ozeans, bei viel Wind und Welle, da weiß man, umzudrehen wäre unmöglich. Jemanden aus dem Wasser zu holen, wäre unmöglich. Wir sind eine kleine Crew. Jeder von uns ist wichtig. Nicht nur geliebt und wichtig. Wichtig als Crewmitglied. Es wäre für eine Person höllisch schwer, ein Boot, mit zwei kleinen Kindern, tagelang über Meere und Ozeane zu segeln. Es ist wichtig, alles für die Sicherheit zu machen, egal wie unbequem es ist, damit man ankommt, damit man das Leben genießen und noch viel erleben kann.

Am Ankerplatz
An Bord
Am Ankerplatz dürfen die Kinder ohne Weste im Cockpit sitzen und mit Weste auf dem Boot herumlaufen.

Schwimmen
Wohl das absolut Schönste am Ankern ist in dem kristallblauen Wasser zu schwimmen. Während man den Wind spürt und die Wellen sieht, weiß man manchmal nicht genau wie stark die Strömung ist. Wenn die Kinder schwimmen wollen, bauen wir ihnen einen Pool aus Schwimmnudeln, in dem wir die Schwimmnudeln am Boot anbinden, eventuell verbinden wir das Dingi und den SUP mit den Schwimmnudeln.
Eines Tages kam es zu einem für eine Mutter wunderbaren Moment. Die Kinder haben sich alleine beschäftigt. Der jüngere Lukas spielte allein in Vorschiff. Der ältere Samuel war hinten mit seinem Papa. Endlich kann ich in Ruhe aufräumen, ging mir durch den Kopf. Leider stellte ich bald zu meiner Überraschung fest, dass Papa gar nicht weiß, wo Samuel ist. Natürlich würde panisch gerufen und gesucht. Und Samuel. Er badete hinter dem Boot allein. So viel zu dem einzigartigen Moment der Ruhe.
Und nein, es ist einem Fünfjährigen nicht erlaubt, allein hinter dem Boot zu baden. Wer schwimmen will, muss es ankündigen. Ein Erwachsener muss Wache halten.


Während der Nacht
Vor der Langfahrt bereiteten wir uns natürlich gut vor und hatten an allen Kojen Leesegel angebracht. Leider wollten immer alle Kinder mit der Mama schlafen. Die einzige Möglichkeit alle unterzubringen, war einfach nur das große Bett in der Eignerkabine. Erstmal versuchten wir dort auch Leesegel anzubringen. Am Ende installierte jedoch Papa seitlich ein Brett, was tagsüber das Bett verbreitet und nachts als eine Sperre dient.

Mach` dein Bestes und glaube an das Beste. Es ist selbstverständlich, dass man alles tut, um sicher zu segeln. Wenn man aber alles aus seiner Sicht für die Sicherheit getan hat, sollte man auch loslassen und einfach vertrauen, dass man jetzt eine wunderbare Zeit zusammen verbringen wird. In diesem Sinne wünsche ich euch und euren Kindern eine tolle Zeit unter Segeln.
Und wenn ihr Fragen habt, meldet euch gerne.
